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Friedrich Schiller

„Das Theater glich einem Irrenhause, rollende Augen, geballte Fäuste, stampfende Füße, heisere Aufschreie im Zuschauerraum! Fremde Menschen fielen einander    schluchzend in die Arme, Frauen wankten, einer Ohnmacht nahe, zur Tür. Es war eine allgemeine Auflösung wie im Chaos, aus dessen Nebeln eine neue Schöpfung hervorbricht!“1

So beschreibt ein Zeitzeuge die Stimmung am 13. Januar 1782 im Nationaltheater Mannheim, nachdem Schillers erstes Drama „Die Räuber“ dort in einer fünfstündigen Darbietung im voll besetzten Theatersaal uraufgeführt wurde. Schiller selbst war mit einem Freund zu diesem Theaterabend heimlich von Stuttgart nach Mannheim gereist, hatte zuvor den Druck des Stückes selbst finanziert und sich damit hoch verschuldet und wurde nach einem weiteren heimlichen Besuch einer Mannheimer Räuber-Vorstellung mit 14 Tagen Arrest und außerdem mit Schreib- und Reiseverbot bestraft.

Wie das? Warum heimlich? Auf den überwältigenden Theatererfolg in Mannheim, der weltweit für Aufsehen sorgt, folgen für den jungen, Anfang 20-jährigen Friedrich Schiller in seiner damaligen Stuttgarter Heimat:  Verbote, Strafe, Gefängnis? Betrachten wir die Situation in Schillers Heimat im 18. Jahrhundert und Schillers Lebensumstände.

Friedrich Schiller, der am 10. November 1759 in Marbach, einem kleinen Städtchen in der Nähe Stuttgarts geboren wurde, erwies sich als wissbegieriger und erfolgreicher Schüler der Lateinschule in Ludwigsburg mit dem fernen Ziel, einmal Theologie zu studieren. Doch auf Befehl des  württembergischen Landesherzogs Carl Eugen und gegen den freien Willen seiner Eltern musste Schiller mit 13 Jahren die sogenannte, eigens vom Herzog gegründete „Carlsschule“ besuchen, eine militärische Eliteschule und Universität in Stuttgart für die begabtesten Kinder „seines“ Landes, eine Art Internat, Kaserne, Kloster, Universität. Hier erlitt Schiller 8 Jahre lang zusammen mit den anderen Schülern unter striktem Kontaktverbot zur Familie während der gesamten Schulzeit ein Leben, das absoluten Gehorsam gegenüber dem Herzog verlangte, während ständig Überwachung aus- und strengste Disziplin eingeübt wurde. Am Ende dieser Schul- und Studienzeit hatte Schiller eine erstklassige humanistische Ausbildung absolviert, hatte Jura, später Medizin studiert und diente schließlich auf Befehl des Herzogs als ausgebildeter Regimentsarzt in einer Stuttgarter Kaserne – aber seine innere Rebellion gegen den erlittenen totalen Freiheitsentzug hat seine Haltung und damit auch die Themen seiner Schreibkunst geprägt: Freiheit und Abhängigkeit, Verstrickungen von Macht und Ohnmacht, Freundschaft, Liebe, Leidenschaft.

Der Versuch, ihm seine Leidenschaft für das Schreiben auszutreiben, war gründlich misslungen: Seine „Leidenschaft für die Dichtkunst ist…stark. Was sie ersticken sollte, fachte sie an“, stellte Schiller rückblickend fest.2

Um der absoluten Freiheitseinschränkung durch Carl Eugen zu entkommen, floh Schiller nach dem Arrest-Aufenthalt zusammen mit einem Freund nach Mannheim, wo sie unter falschem Namen zeitweise auch in Oggersheim in einem Gasthof wohnten. Diese insgesamt etwa 2-jährige Mannheimer Zeit war für Schiller gezeichnet von Krankheit (Malaria), finanzieller Not, unermüdlicher, begeisterter, aber schonungsloser Arbeit z.T. als Theaterdichter und der ständigen Angst, von den Häschern des Herzogs entdeckt und zurückgebracht zu werden. Da Mannheim zur Kurpfalz gehörte und durch Landesgrenzen von Württemberg getrennt war, galt Schiller nun als Deserteur im Ausland.   

Diese Angst, auf der Flucht zu sein, hat Schiller während seines kurzen Lebens – er wurde gerade einmal 45 ½ Jahre alt – nie ganz verlassen, ihn aber nicht abgehalten, diesen mutigen Weg einzuschlagen. Nicht ohne Stolz bekennt Schiller nach seiner Flucht aus Württemberg, er „schreibe als Weltbürger, der keinem Fürsten dient“.³

Schiller, wenn wir ihm heute begegnen könnten, würde er uns wohl beeindrucken: Jemand, der sich optimistisch, beharrlich mit Disziplin und Leidenschaft der Schreibkunst verpflichtet hat, der sich von Misserfolgen nicht entmutigen ließ, der sich schonungslos trotz belastender finanzieller Miseren und gezeichnet von schwerer Krankheit nie mit dem Erreichten zufrieden gegeben hat. „Sich selbst und das Gegenüber im idealen Licht zu sehen, immer die Möglichkeit des anderen mitzudenken, das muss es gewesen sein, was den Umgang mit ihm so angenehm gemacht hat.“4

Die beruflichen und privaten Stationen Schillers führten den ruhelosen Dichter von Mannheim aus u.a. nach Bauerbach, Leipzig, Dresden, Jena, wo er eine Professur für Geschichte antrat, und Weimar, (wo er am 9. Mai 1805 an einer Lungenentzündung starb). Er und der 10 Jahre ältere Johann Wolfgang von Goethe, unterstützten sich in ihrer Freundschaft beide gegenseitig in ihrer Arbeit. Er gründete eine Familie mit Charlotte von Lengefeld, befreundete sich mit Wilhelm von Humboldt, erhielt Stipendien von Förderern seiner Kunst, feierte große Bühnenerfolge, er erhielt die französische Ehrenbürgerschaft und wurde in den Adelsstand berufen, er brachte Zeitschriften heraus, beschäftigte sich mit Philosophie und pflegte Freundschaften zu vielen zeitgenössischen Philosophen und Schriftstellern.

Schillers Werk ist überwältigend groß und bedient sich aller Formen der Schreibkunst: Dramen, Gedichte, Balladen, Erzählungen, historische Schriften, philosophische Abhandlungen… Seine unbändige Energie, seine Kraft und sein Widerspruchsgeist gegenüber Unterdrückung, Einschränkung der Freiheit können wir heute nur noch aus seinen Schriften herauslesen oder im Theater erleben – aber dort können sie uns ausgesprochen lebendig begegnen, die Ideen dieser Symbolfigur des Freiheitskampfes. 

1 Oellers Norbert. Schiller. Elend der Geschichte, Glanz der Kunst. Stuttgart 2005

² Safranski Rüdiger. Schiller oder die Erfindung des deutschen Idealismus. München 2007

³ Oellers Norbert. ebenda

Engelmann Christiana. Kaiser Claudia. Möglichst Schiller. Ein Lesebuch. München 2005

 Bärbel Jurkiewicz